Selbstmitgefühl setzt Grenzen

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Selbstmitgefühl setzt Grenzen

Resilient, „nett“ und mitfühlend zu sein bedeutet nicht, dass man schadenbringende Umstände oder Verhaltensweise bestehen lässt. Selbstmitgefühl setzt Grenzen.

Weises Mitgefühl und Selbstmitgefühl handeln, statt freundlich zuzuschauen

Ich stoße in Gesprächen über meine Arbeit immer wieder auf das Missverständnis, dass Mitgefühl bedeuten würde, keine klaren Grenzen zu setzen, seinen Mitarbeitern alles durchgehen zulassen und immer „nett“ zu sein. Und ähnlich lautet auch die Vermutung, dass selbstmitfühlende Menschen anderen alles durchgehen lassen, um sich nachher mit Selbstmitgefühl zu trösten oder aufs Neue zu motivieren.

Doch Mitgefühl ohne Weisheit ist „Idiotenmitgefühl“. So zeigt Rasmuss Hougaard zeigt im Harvard Business Review „Compassionate Leadership is necessary but not sufficient“: Die besten Führungskräfte haben Weisheit und Mitgefühl. Das hilft ihnen „to do hard things in a human way“.

Und auch für Selbstmitgefühl gilt, dass es nicht nur mit weichen Qualitäten einhergeht, sondern vor allem mit kraftvollen Qualitäten, die zu weisem Handeln führen – das heißt sich zu versorgen, zu beschützen und für mutige Schritte einen Schubs zu geben. Konkreter zeigen Studien von der renommierten Empathie- und Schamforscherin Brené Brown auch: Menschen mit weisem Mitgefühl gehen in Konflikte, verschonen andere nicht mit ihrer Verantwortung, versuchen nicht immer gefällig zu sein und ecken an.

Grenzen zu setzen hilft allen Beteiligten

Eine befreundete Beraterin hat mir erzählt wie sie durch ein Mindful-Leadership-Coaching einen bestimmteren Umgang mit ihren Bedürfnissen in der Arbeitswelt gefunden hat und wie überrascht sie von den positiven Auswirkungen war.

Als sie zur Senior Beraterin befördert wurde, lobte ihr Chef, dass viele Kollegen sie gerne haben und für ihre Bereitschaft zur extra Meile schätzen. Den Eindruck wollte sie sich in keinem Fall verspielen. Im Coaching reflektierte sie, dass sie an einigen Abenden und oft am Ende der Woche körperlich und emotional erschöpft ist. Als sie zur Senior Beraterin befördert wurde, lobte ihr Chef, dass viele Kollegen sie gerne haben und für ihre Bereitschaft zur extra Meile schätzen. Den Eindruck wollte sie sich in keinem Fall verspielen. Im Coaching reflektierte sie, dass sie an einigen Abenden und oft am Ende der Woche körperlich und emotional erschöpft ist.

 

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Auch wenn Kollegen, die gemeinsam vereinbarte Richtung änderten, um gut vor Kunden dazustehen, beruhigte sie sich immer wieder damit, das sie das Bedürfnis nach Anerkennung ihres Kollegen respektieren wollte. Und stellte ihr Bedürfnis nach Verbindlichkeit hinten an.

Zu ihrer Überraschung hat es gerade im anstrengenden Beratungsumfeld ihr geholfen Grenzen zu setzen. Anstatt Respekt von anderen zu verlieren, hat sie Respekt gewonnen. Denn auch Grenzen setzen kann man ja auf freundliche Art. So hat sie begonnen häufiger Sätze zu sagen wie zum Beispiel

  • „Oh, ich sehe, dass das jetzt eine nervige Aufgabe für dich ist. Trotzdem sehe ich das in deiner Verantwortung.“
  • „Ich kann dir helfen. Allerdings habe ich das Bedürfnis nach einem ruhigen Freitag. Wenn es länger als 15min dauert, bitte ich dich nächste Woche einen Termin zu suchen.“

Ebenfalls zu ihrer Überraschung haben auch ihre Kollegen profitiert: So hat einer aufgehört sich von ihr retten zu lassen und ist selbst mutiger bei Aufgaben geworden, die ihn forderten. Bei einem anderen Kollegen merkte sie, dass er vor dem Kunden seltener zum Fähnchen im Wind wird und interne Absprachen über Board wirft, weil er wusste, dass sie ihn damit konfrontieren würde.  

Vor kurzem ist sie Managerin geworden. Heute wird sie nicht nur gelobt für ihr freundlich sein, sondern auch für schnelle und stimmige Entscheidungen, die manchmal nicht leicht sind.

Selbstmitgefühl sagt beherzt „genug“

Wer sich mit Selbstmitgefühl schwer tut und sich selbst wenig wertschätzt, der wird innerlich immer wieder Gründe finden warum es okay ist, dass andere ihn behandeln wie sie es tun. Wer hingegen achtsam ist und bemerkt wann Bedürfnisse beginnen schmerzhaft übergangen zu werden und gleichzeitig freundlich zu sich selbst, der weiß sich zu schützen und seine Bedürfnisse ins Gespräch einzubringen.

Pema Chödrön schreibt dazu: „Das Freundlichste, was wir für alle Beteiligten tun können, ist zu wissen, wann wir „genug“ sagen müssen. Viele Menschen benutzen buddhistische Ideale, um ihre Selbsterniedrigung zu rechtfertigen. Im Namen, dass wir unser Herz nicht verschließen, lassen wir zu, dass man uns übergeht. Es heißt, dass wir, um unser Gelübde des Mitgefühls nicht zu brechen, lernen müssen, wann wir die Aggression stoppen und die Grenze ziehen müssen. Es gibt Zeiten, in denen der einzige Weg, Barrieren zu überwinden, darin besteht, Grenzen zu setzen.“

Du willst dich selbst mehr wertschätzen und klar zeigen, dass es nicht ok ist dich zu verletzen oder deine Bedürfnisse zu übergehen. Vielleicht hilft dir dieser Kurs.

Selbstmitgefühl motiviert

Selbstmitgefühl motiviert

Selbstmitgefühl motiviert

Selbstmitfühlende Menschen stecken sich genauso hohe Ziele wie andere, aber akzeptieren, dass sie wie andere nicht immer ihre Ziele wie gewünscht erreichen. Und davon lassen sie sich weniger demotivieren, verängstigen oder beschämen. Mitgefühl mit uns selbst verstärkt die innere Motivation als langfristigere Quelle von Motivation.

Motivation die Dinge besser zu machen

Es ist eine fragwürdige Überzeugung, dass Selbstmitgefühl unsere Motivation schwächt, die Dinge besser zu machen. Fragwürdig denn sie gibt der Angst nicht zu genügen Raum und nimmt der Resilienz Raum. Dabei ist Selbstmitgefühl weit davon entfernt, die persönliche Selbstverantwortung zu untergraben. Wie in diesem Artikel  ausgeführt, rühren viele Bedenken zu Selbstmitgefühl aus einem fehlenden Verständnis was Selbstmitgefühl wirklich ist. Unter anderem ist es eine verlässliche und nachhaltige Quelle für Motivation. Dafür habe ich eine persönlich Geschichte und eine anschauliche Studie.

Selbstmitgefühl motiviert nach Misserfolgen

In einer Studie von Breins und Chen (2012) mit Studenten wurde untersucht wie Selbstmitgefühl nach einem Misserfolg auf die zukünftige Lernmotivation wirkt. Alle Studierenden mussten an einem besonders schwierigen Vokabeltest teilnehmen, bei dem alle schlecht abschnitten. Die Organisatoren der Studien regten zu drei unterschiedlichen Umgangsweisen an:

  1. Ein Teil der Studenten wurde eingeladen mit sich selbst mitfühlend umzugehen.

  2. Ein anderer Teil erhielt Rückmeldungen, die das Selbstwertgefühl steigern sollten – also das Gefühl besser als der Durchschnitt zu sein. Zum Beispiel wurde ihnen gesagt „Du musst ja intelligent sein, wenn du es auf diese Universität geschafft hast“.

  3. Die dritte Gruppe erhielt keine Rückmeldung oder Ermutigung

 

Selbstmitgefühl motiviert

Als Nächstes bekamen die Studenten eine neue Liste mit Wörtern und Definitionen, die sie für einen weiteren Test lernen konnten. Bei der Gruppe 1 mit der Selbstmitgefühls-Intervention zeigte sich, dass die Zeit bevor sie den neuen Test ablegten am längsten und die Resultate im neuen Test am besten waren. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ein freundlicher Umgang mit uns selbst, wenn wir scheitern, uns die Unterstützung gibt, die wir brauchen, um unser Bestes zu geben und auch dann nicht aufzugeben, wenn wir entmutigt sind.

Selbstmitgefühl hilft weise Ziele zu wählen und sich zu verändern

Anhand einer persönlichen Situation möchte ich beschreiben, dass Selbstmitgefühl keineswegs die Motivation sich zu ändern senkt!

In meinem allerersten Jahr als Trainer im Agile Coaching habe ich ein Modul eines größeren Ausbildungsprogramms übernommen und musste es neu ausrichten. Beim ersten Durchlauf hatten die Lehrgangsteilnehmer sehr unterschiedliches Vorwissen und Erwartungen – was ich vorher nicht wusste. Ich tat mein Bestes, doch am Ende waren manche nicht so zufrieden wie üblich und hätten sich gewünscht, dass meine Trainerkollegin und ich mehr auf sie ihre Bedürfnisse eingegangen wären.

Dieses Feedback in Kombination mit einem zu der Zeit besonders leistungsorientierten Umfeld hat meine inneren Kritiker wach gerufen: „Bereite für das nächste Mal lieber dieses und jenes noch vor, damit du auf alle eingehen kannst und vor allem den Fortgeschrittenen genügend Stoff lieferst.“ Selbstkritik fördert Angst. Und so hatte ich beim nächsten Durchlauf, den ich alleine machte, trotz sehr guter Vorbereitung Angst es nicht gut genug zu machen. Es ging so viel meiner Energie darauf die souveräne Fassade aufrechtzuerhalten, dass ich keinen Zugriff auf meine Intuition mehr hatte und den Aufbau einer lebendigen Beziehung zu den Teilnehmern vernachlässigte. Die Zufriedenheit der Teilnehmer in diesem Durchlauf war nicht wirklich besser – meine Batterien hingegen leer und mein Wohlbefinden schlechter. Die inneren Kritiker hatten neues Futter, hielten Angst aufrecht und senkten meinen Mut zu grundsätzlicher Veränderung.

Glücklicherweise habe ich wenig später eine Coaching-Ausbildung begonnen und konnte dort meine Herausforderung einbringen. Weil auch damals schon Augenhöhe, Mut und Neugier zu meinen Werten zählten, wollte ich diese nicht auch in der Durchführung von Trainings leben. Durch das mitfühlende Coaching konnte ich mir eingestehen, dass ich noch lernen kann wie ich ohne viel Vorbereitung auf die verschiedenen Faktoren eines gelungenen Trainings achten kann. Und ich konnte klar erkennen welche Auswirkung meine innere Verfasstheit auf das Gelingen aller Interventionen als Trainer hat – mit der Angst nicht zu genügen waren Teilnehmer Gegner, mit innerer Ruhe und Wohlwollen sind sie Freunde.

Im Gegensatz zum isolierten Selbstkritiker hat das mitfühlende Coaching meine Motivation und Kraft für eine Veränderung befeuert. Das dabei entstandene Mitgefühl mit mir selbst hat mir seitdem in solchen Situation geholfen. Und es half auch zu erkennen, dass ich überhaupt nicht der einzige bin, der in seinem ersten Jahr in dieser Rolle noch dazulernen kann und dass es okay und normal ist durchwachsenes Feedback zu erhalten. Diese einfache Einsicht konnte mir meiner innerer Kritiker unter dem Druck des Umfelds nicht zugestehen.

Um meine Leidenschaft lockerer ausüben zu können, habe ich mich um passende Weiterbildungen gekümmert. Heute passiert es mir auch ab und zu einmal, dass mein innerer Kritiker schnell bemerkt, dass etwas nicht gut läuft. Doch ich bemerke auch meinen inneren Kritiker schneller, nehme seine Sorgen gelassen entgegen, atme einmal tief durch und schenke mir ein freundliches inneres Lächeln. Dann schau ich aus dem Wohlwollen heraus was wichtig ist, nicht aus der Angst. Und das bringt meistens den positiven Wandel, den es braucht.

Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid

Mythen zu Selbsmitgefühl

Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid

Menschen mit mehr Selbstmitgefühl können Schmerz und Misserfolge besser aushalten, weil sie sich nicht zusätzlich selbst verurteilen, isoliert fühlen oder zu sehr in ihre Emotionen reinsteigern. Ich erzähle ein Beispiel eines Freundes der aus einer Erfahrung des Leids Verbundenheit gemacht hat.

Selbstmitgefühl: Ein gutes Wort mit Selbst

Ist dir das auch schon einmal aufgefallen? Während die meisten Menschen Mitgefühl vorbildlich finden, verändert sich die Einstellung, wenn das Mitgefühl nach innen gerichtet ist. Bei Selbstmitgefühl werden einige unsicher. Ist das nicht wieder ein „böses“ Worte mit „Selbst“ so wie Selbstmitleid, Selbstüberschätzung oder Selbstverliebtheit, …?

Nein, es ist ein „gutes Wort mit Selbst“! Denn Menschen mit mehr Selbstmitgefühl können Schmerz und Misserfolge besser aushalten, weil sie sich nicht zusätzlich selbst verurteilen, isoliert fühlen oder zu sehr in ihre Emotionen reinsteigern. Ähnlich wie Achtsamkeit hilft Selbstmitgefühl unser Leid wahrzunehmen und nicht darüber zu urteilen. So verfängst du dich weniger darin und reagierst mit weniger Widerstand. Außerdem fügt Selbstmitgefühl etwas wichtiges hinzu: uns selbst mit Wärme und Sanftheit zu umarmen, wenn wir Leid erfahren.

Vor allem beinhaltet Selbstmitgefühl auch einen Aspekt von Weisheit, der uns unsere Menschlichkeit erkennen lässt: Nämlich die Tatsache zu akzeptieren, dass wir wie alle anderen Lebewesen Fehler machen und die gleiche Wahrscheinlichkeit haben von Pfeilen des Unglücks getroffen zu werden. Selbstmitgefühl räumt auf mit dem verbreiteten Irrtum, dass immer alles gut laufen muss und dass unsere Fehler oder unser Leiden zeigen, dass mit uns etwas nicht stimmt. Diese schlichte Einsicht kann das Gefühl von Verbundenheit fördern.

Aus Schmerz wurde Mitleid

Ein enger Freund von mir hatte bereits vor Jahren immer wieder Bandscheibenvorfälle. Er sagt sie kämen immer dann, wenn er besonders viel Stress hatte, er Kälte ausgesetzt war oder längere Zeit kein Rückentraining wie Schwimmen gemacht hat und dann eine unüberlegte Bewegung gemacht hat. So einfach wie sein Muster dahinter, so schmerzhaft und beeinträchtigend sind seine Bandscheibenvorfälle.

Vor zwei Wochen ist es ihm seit langem wieder passiert. Viel gesessen, monatelang nicht geschwommen, im kalten Fernzug gesessen und dann die Gemüselieferung hochgehoben. Er wusste gleich was los war, konnte wenig später vor Schmerz nicht mehr laufen, nicht sitzen, jeder Husten war Folter, … Er  war auf dem Sofa gefangen und sah keine Chance sich anzuziehen, um zum Arzt zu gehen. Schlimmer noch merkte er Stimmen wie „Mensch du, das hättest du doch ahnen können.“, „Wegen mir sind jetzt das verlängerte Wochenende und das wichtige Meeting heute Vormittag dahin.“, „Hey hättest du mal deinem Körper besser zuhören können, was er braucht.“ Auch mit seiner Freundin, die glücklicherweise an dem Morgen da war, konnte er nicht anständig kommunizieren. Er schämte sich und fühlte sich schuldig. So wurde aus Schmerz Leiden und Mitleid.

Mit Selbstmitgefühl wurde aus Leid Verbundenheit

Über das, was dann geschah war er am Telefon immer noch glücklich – und ich auch. Nachdem ihm keine aktive Handlung half, hat er hat sich einmal liebevoll von außen betrachtet und mit inneren Schmunzeln reflektiert, dass sein Widerstand in Form von Kritik und Fokussierung auf sein Leid die Situation nicht verbesserten. Daraufhin hat er eine Hand auf sein Herz gelegt – die Geste die er vor langer Zeit in seinem ersten Kurs Achtsames Selbstmitgefühl entdeckt hat – und tiefe Atemzüge genommen. Immer wenn eine neue Welle des Schmerzes kam, hat er sich gesagt „Du bist nicht der einzige Mensch, der leidet.“ Und „Es ist ok. Auch das wird vorbeigehen.“

Als ich das am Telefon hörte, habe ich an Christopher Germer gedacht, der einmal in der Trainerausbildung für Mindful Self-Compassion gleichmütig sagte: „Solange du einen menschlichen Körper hast, wirst du immer wieder emotionale und körperliche Schmerzen haben. Das gilt für jeden von uns hier mit einem Körper.“ Übertragen auf meinen Freund: Ihm wurde klar, dass er nicht mit dem Sonder-Ticket „Leben ohne Schmerz“ auf die Welt gekommen ist. Leben bedeutet eben mit Leiden konfrontiert zu sein. Und weil das für alle gilt, konnte er seine Gefühle von Scham und Alleine-Sein ablegen.

Nicht nur das, mit Selbstmitgefühl:

  • Konnte er sich zunehmend entspannen.
  • Die Selbstkritik war weg.
  • Er konnte wieder anständig mit seiner Freundin kommunizieren und sagen was ihm hilft.
  • Und bei jeder neuen Schmerzwelle konnte er sich mit allen Menschen verbinden, die an diesem Tag wohl auch unter Schmerzen litten – z.B. Menschen mit Covid, Menschen mit einer chronischen Krankheit, Menschen die in einer Beziehung unglücklich sind, ….

Noch besser: Endlich im Wartezimmer einer Arztpraxis angekommen, konnte er sein Mitgefühl ausweiten. Immer wieder hat er einen Atemzug Mitgefühl für sich genommen und sich gewünscht sich wieder sicherer in seinem Körper zu fühlen. Und mit dem nächsten Atemzug hat er den anderen Patienten gewünscht es möge ihnen gut gehen.

Selbstmitgefühl schützt vor Selbstmitleid im Alltag

Natürlich bin ich froh, dass ihm Selbstmitgefühl in dieser besonderen Situation geholfen hat und fand es inspirierend zuzuhören. Doch Selbstmitgefühl funktioniert genauso in alltäglicheren Situationen. Zum Beispiel, wenn

  • Du dich nicht verstanden fühlst
  • Du dich im Home-Office gestresst fühlst
  • Du dich erkältest oder ein anderes körperliches Leiden hast
  • Dich jemand verletzt oder wütend gemacht hat
  • Du das Gefühl hast versagt zu haben
  • Du dich in Grübeleien zurückziehst
  •  ….

Wann bist du das letzte Mal in Selbstmitleid verfallen? Welche Art des Selbstmitgefühls hätte dir geholfen?

Selbstmitgefühl ist wie eine Boosterimpfung

Achtsames Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl als Booster

Boosterimpfungen machen resilienter für den Fall einer Covid-Infektion. Ähnlich wirkt Selbstmitgefühl angesichts schwieriger Erfahrungen: Es macht dich resilienter. Denn es ist ganz natürlicher Bestandteil des Menschseins, dass wir alle in manchen Situationen leiden -z.B. aufgrund von körperlichen Schmerzen oder belastenden emotionalen Umständen. Die Frage ist wie du dann mit dir umgehst.
Achtsames Selbstmitgefühl
Wenn Boosterimpfungen den Schaden einer Covid-Infektion lindern, vor welchem schadhaften Umgang kann dich die Booster-Wirkung von Selbstmitgefühl schützen? Selbstmitgefühl schützt dich 
  • vor harter Selbstkritik,
  • vor Überidentifikation mit Emotionen,
  • vor Grübeln und
  • vor Selbstisolation.

Ursprung für solchen unbeabsichtigten Schaden sind oft Emotionen, die du nicht haben willst, z.B. Angst mit dem was du leistest nicht gut genug zu sein. In solchen Situationen hat die Selbstkritik bei einigen Menschen einen guten Ruf, weil sie einen Arschtritt geben kann sich zu ändern oder vor unangemessener Selbstüberschätzung schützt. Doch wenn du dir nicht erlaubst zu fühlen, was du fühlst („Ich darf keine Angst haben, ich muss stark und souverän auftreten), dann wird Selbstkritik kontraproduktiv und erzeugt nur noch mehr Stress.

Mitgefühl für dich selbst

Ein anderer Weg ist Mitgefühl für dich selbst: Du schenkst dir selbst Unterstützung und gibst deinem Gefühl Platz – wohlwollend und ohne Urteile. Denn Gefühle sind ja erst einmal da, ob du sie haben willst oder nicht. Mit Mitgefühl schaffst du dir einen Raum, der sich sicher für dich anfühlt. Und dann regulieren sich Gefühle auch leichter.

 

Mythos 3: „Es geht darum die Mitarbeiter effizienter und belastbarer zu machen und mehr aus ihnen herauszuholen“

Mythos Optimierung

"Es geht darum die Mitarbeiter mit Mindfulness effizienter und belastbarer zu machen und mehr aus ihnen herauszuholen"

Gestärkte Resilienz, Empathie und Kreativität sind nicht der ultimative Zweck von Mindfulness, den es auszunutzen gilt. Nicht Optimierung zählt, sondern die Haltung.

Es geht nicht um Optimierung.

Ab und zu höre ich in Gesprächen folgende Kritik an Mindfulness-Programmen in Organisationen „Google und Co haben mit ihren Achtsamkeitsprogrammen doch nur ein Ziel: Optimierung! Wenn Mitarbeiter gesünder, zufriedener und belastbarer sind, arbeiten sie noch mehr.“ Dieser Mythos wurde am dritthäufigsten in meiner Umfrage genannt.

Der Gedankengang macht auf den ersten Blick Sinn. Doch er entfremdet die Achtsamkeit von dem, wofür sie eigentlich da ist. Zum Glück sehen das auch Unternehmen wie SAP so. Im Kontext der Corona-Pandemie sagt Personalleiter Cawa Younosi zu achtsamkeitsbasierten Initiativen bei SAP „Es geht nicht darum, Menschen zu optimieren, sondern dass sie sich mental gesund fühlen.“

Damit spricht er mir aus dem Herzen. Wohlwollen und ein gesundes Unterscheidungsvermögen sollten am Anfang von Mindfulness-Initiativen stehen. Aus dieser Haltung heraus ergeben sich hilfreiche Reaktionen, zum Beispiel im Umgang mit der mentalen Gesundheit während der Corona-Pandemie bei SAP .

Wissenschaftlich erforscht: Mindfulness hat positive Effekte für Teams. Und macht Individuen belastbarer.

Fakt ist, dass Google, SAP und Goldmann Sachs als prominente Vertreter sich die Mindfulness-Initiativen nicht nur betriebswirtschaftlich gut überlegt haben, sondern auch auf Studien schauen. Die zeigen unter anderem:

Wie kommt es das Mindfulness Menschen außerdem belastbarer macht? Vereinfacht gesagt: Wer durch Achtsamkeitsübungen wie beispielsweise dem Body Scan seine Wahrnehmung schult, kann feiner und klarer spüren welche Gefühle und Empfindungen sich im Körper ausdrücken. Das ist ein Schlüssel um sich selbst zu regulieren, wenn man eine starke geistige Belastung oder Emotionen wie Wut, Kränkung oder Angst erlebt **. Und diese Selbstregulation führt zu mehr psychischer Widerstandsfähigkeit.

Die positiven Effekte auszunutzen ist wie mit einem Hammer ein Kunstwerk zu zerstören. Die Haltung zählt.

Um angesichts komplexer Herausforderungen gesund zu bleiben, hilft Resilienz. Eine Sorge von Betriebsräten und Mitarbeitern ist, dass genau dieser Umstand ausgenutzt wird. Beispielsweise in solchen Gedankengängen  „Mein Mitarbeiter ist durch Mindfulness resilient, er wird schon ein weiteres Projekt vertragen / wird schon mit Stress im Home Office gut zurecht kommen / …“

Ist Mindfulness deshalb gefährlich? Lädt es dazu ein von gierigen Firmen ausgenutzt zu werden? Ich denke und erlebe, dass diese Schlussfolgerung oft zu kurz greift. Fakt ist, dass Mindfulness viele positive Effekte für die Persönlichkeits- und Teamentwicklung hat. Die positiven Effekte auszunutzen, wäre jedoch so wie mit einen Hammer ein Kunstwerk zu zerstören anstatt es aufzuhängen. Wer kritisiert Hämmer?

Der Zweck von Mindfulness ist es ganz und gar im Leben präsent zu sein und jedem Augenblick mit Wohlwollen und gesundem Unterscheidungsvermögen zu begegnen. Es kommt also auf die Haltung an, ob wir Gutes oder Schaden bewirken. Ganzheitliche Mindfulness-Trainings bieten deswegen Raum zum Reflektieren der eigenen Haltung und Werte. Was die meisten Kritiker von Mindfulness missachten ist, dass ein Mensch, der beginnt achtsamer und bewusster mit sich selbst zu sein, in der Konsequenz auch achtsame Entscheidungen trifft. Er erkennt ungesunde Situationen schneller und trifft entsprechende Entscheidungen für sich und andere. Daher wächst die Gesamtwahrnehmung und nicht nur das Ausbeutungspotential.

 

Mit der entsprechenden Haltung, stellt SAP übrigens zurückblickend fest: „Wenn es unseren Mitarbeitern gut geht, dann sind sie für den Job auch 100 Prozent da.“

Wer Mindfulness im Unternehmenskontext einführt, sollte Zweck und Effekte nicht verwechseln. Sonst kann er langfristig schaden.

Ja, mein Weg war anfangs auch geprägt von der Absicht die positiven Effekte von Mindfulness für gesteigerte Leistungen zu nutzen. Ich weiß von vielen Menschen, die heute Trainer und Ausbilder sind, dass das für den Einstieg ganz normal ist. Wer Mindfulness in Firmen einbringt, sollte sich jedoch bewusst sein welche Mechanismen rundum die positiven Effekte mitwirken. Denn vorhandene Muster der Selbstoptimierung- und Selbstausbeutung in Teams und bei Einzelpersonen können langfristig schaden. Zwei Beispiele dazu:

Beispiel 1: Wer von Unternehmensseite darauf hingewiesen wird und für sich erkannt hat, dass er durch Meditation konzentrierter arbeiten kann, könnte versuchen das immer gezielter für sich einzusetzen. Als Konsequenz wird er vielleicht Pausen ganz zielgerichtet setzen, für Meditation nutzen und vielleicht auch seine Arbeitsrhythmen komplett auf optimale Zeiten im eigenen Bio-Rhythmus anpassen. Ein Beispiel ist der  Manager, der um 5:00 aufsteht, um im Büro ungestört zu arbeiten. Wer Mindfulness nur für diesen Zweck nutzt, kann bei aller Leistungsorientierung leicht das Leben selbst vergessen und hat weniger „quality time“ für sich selbst und die Menschen, die ihm lieb sind. Ich kenne manche, die so Erfolg nach Erfolg erreichen – ohne dabei langfristig zufriedener zu werden. Es zählt eine Haltung des Wohlwollen mit sich selbst, die einlädt sich selbst genug zu sein und gesunde Unterscheidungen zu treffen was einem wichtig ist.

Beispiel 2: Weil empathische Kommunikation zu den wichtigsten Kompetenzen im digitalen Zeitalter zählt ***, liegt es für Unternehmen nahe die Zusammenarbeit in Teams mit Empathie-Übungen stärken zu wollen. Wer bereits das innere Muster hat mehr und freundlicher für andere da zu sein als für sich selbst, kann durch Empathie gefährdet sein. Denn für das Leid von Kollegen und Kunden dazu sein, geht mit emotionalen Kosten einher. Wer sich dabei selbst vergisst, kann in einen „Burn-Out“ geraten. Hier ist schön beschrieben woher das kommt. Es ist deswegen so wichtig, dass man den Zweck von Mindfulness nicht vergisst, der darin besteht jedem Augenblick mit Wohlwollen und gesundem Unterscheidungsvermögen zu begegnen. Er enthält eben auch das Wohlwollen mit sich selbst. Und genau das kann Gefährdete schützen – Kurse wie Mindful Self-Compassion sind u.a. dafür etabliert. Self-Compassion hilft Teammitgliedern langfristig gut füreinander da zu sein.

Ein gelassener Ausblick

Jon Kabat-Zinn hat mich in diesem Video beeindruckt, wie gelassen er zur Instrumentalisierung von Achtsamkeit für wirtschaftliche Zwecke sagt, dass er ihr mit Vertrauen gegenüber steht. Schließlich hat er schon viele Menschen gesehen, die sich in der bloßen Übung von Achtsamkeit für Zwecke der Optimierung schnell gelangweilt haben und dadurch erst recht gespürt haben, dass ihrer Übung ein sinngebender Boden fehlt. Dieser sinngebende Boden ist die ethische Haltung der Achtsamkeit – der Anspruch Wohlbefinden zu vergrößern und Leiden zu reduzieren. Die natürliche Sehnsucht nach diesem Boden hat laut seiner Erfahrung schon vielfach zu einem Umdenken geführt.

Viele Menschen und dazu gehöre auch ich, beginnen dann sorgfältiger und lockerer eine Unterscheidung zu treffen, ob ihnen ihre von Eigeninteresse geprägten Wünsche gut tun oder nicht. Sie entdecken, dass ein blindes Mehr-Haben-Wollen ihnen selbst innerlich mehr Leiden als Freude bringen.

 

Auch wenn diese Reflexion nicht überall stattfindet, warum sollten wir also nicht auf eine große Veränderung von innen heraus hoffen? Vor 30 Jahren war Achtsamkeit im Westen kaum verbreitet. Heute gibt es Achtsamkeitsverbände, tausende Forschungsprojekte und Krankenkasse bezuschussen Achtsamkeitskurse. Warum sollte Achtsamkeit nicht die Wirtschaftswelt grundsätzlich verändern wo sie heute schon mit Gemeinwohlökonomie und New Work viel Bewegung erlebt?

*) https://hbr-org.cdn.ampproject.org/c/s/hbr.org/amp/2019/01/how-mindfulness-can-help-engineers-solve-problems

**) siehe u.a. Studien von Britta Hölzel

***) Metaanalyse des Instituts für Führungskultur im
digitalen Zeitalter

Kindfully lead yourself and others – Was hinter meinem Slogan steckt

Kindfully Lead Yourself and Others

Mindful + Kind = Kindful.

Kennst du Situationen, in denen du ganz wach für die Anforderungen der Situation bist, aber streng mit dir und gegen deine Bedürfnisse handelst? Mindful, but not kind. Oder wenn jemand so sehr um das Leid oder Versagen eines Kollegen kümmert, dass aus dem Blick gerät was eigentlich gerade ansteht? Kind, but not mindful.

Kindfulness heißt Achtsamkeit mit Wohlwollen zu kombinieren. In diesem Zustand bist du nicht nur wach für das, was gerade in dir oder anderen passiert, sondern handelst aus einer Haltung des Wohlwollens. Die Kombination ist mehr als ein Wortspiel, denn:

Du siehst: Wohlwollende Führung und Selbstführung hat vielfältige Vorteile. Deswegen lautet mein Slogan: Kindfully lead yourself and others.

kindful

Doch die wichtigste Erkenntnis steckt für mich in der Metapher eines Bergs: Der Berg ist immer da. Es ist egal, ob gerade Wolken aufziehen, die Sonne auf ihn strahlt, er in Neben gehüllt ist,  ob Wanderer schimpfen, weil er nicht zu sehen ist oder ob Bergsteiger auf ihm klettern. Er ist einfach da. Dasselbe gilt für Wohlwollen in Selbstführung und Führung. Wenn du das Wohlwollen in dir kultiviert hast, dann ist es da wie ein Fels – egal welche Emotionen oder Stress auf dich zu kommen..

Wieso ich dich zu „Kindfully lead yourself and others“ einlade

Mein Weg mit Mindfulness begann mit Selbstoptimierung. Ich habe angefangen zu meditieren, um mich im Studium nicht von Liebeskummer oder anderem ablenken zu lassen. Nach akademischen Spitzenleistungen bin ich für ein paar Jahre in angesehene Rollen als Berater und Coach geschlüpft. Im Spannungsfeld vieler Erwartungen, die oft mehr von mir als von anderen kamen, habe ich Unruhe in mir gespürt. Ich habe mich selbst nicht wohlwollend geführt, sondern angetrieben. So habe ich in agilen Transformationen gelernt: Ich kann andere nicht überzeugend zu Offenheit für Veränderungen und deren Unsicherheiten einladen kann, wenn ich viel Empathie für sie vermittle, aber auch ausstrahle, dass ich mich selbst durchgehend streng behandle.

Wichtige Wegbegleiter und eine reichere Achtsamkeitspraxis haben mich zu meinem Wohlwollen – meinem Berg – begleitet. Ich habe gelernt mit weniger Erwartungen und mehr Empathie für mich und andere an meine Arbeit zu gehen. So erziele ich mehr Ergebnisse, die mich wirklich zufrieden machen.

Heute erfüllt es mich als Trainer für Mindfulness in Organisationen Werkzeuge zur Reflexion und praktische Übungen weiterzugeben, die diesen Weg fördern. Deswegen „Kindfully lead yourself and others“.

Kindfully lead yourself

Wenn du dich mit Wohlwollen führst, dann darf es Situationen geben, in denen du dich gestresst, verletzt oder unzulänglich fühlst. Sie mögen dich berühren und deine Emotionen sind vielleicht unangenehm. Doch wie du innerlich reagierst, entscheidest du.

Auch wenn sich deine inneren Kritiker melden und dir übliche Tipps wie „Zähne zusammenbeißen“ geben, du kannst auf deine wohlwollende Stimme vertrauen. Sie ist da wie ein Berg. Anders als viele glauben untergräbt das Gegenteil von Mitgefühl mit uns selbst, zum Beispiel strenge Selbstkritik, die eigene Motivation (5). Nicht weil du den Feldwebel-Tonfall dir selbst gegenüber angelegt hast, konntest du die Präsentation oder das Projekt gut schaffen. Sondern obwohl du den Feldwebel-Tonfall angelegt hast. Es hätte leichter sein können. Kindfully lead yourself. Denn Menschen mit Selbstmitgefühl haben weniger Angst vor Leid und Versagen und eine größere Motivation eine anstehende Herausforderung – wie ein schwieriges Gespräch oder eine Deadline – zu bewältigen (6).

Der Schlüssel liegt im Training. In meinen Trainings zeige ich praktische Übungen zum Einstieg und gebe Tipps zum Dranbleiben.

Kindfully lead others

Wohlwollende Führung ist trainierbar und wirkt. Bestimmt kennst du jemanden, der sich in seinem Team nicht gesehen und verstanden fühlt. Meinst du, diese Person gibt ihre 100% für den Erfolg des Teams? Wahrscheinlich nicht.

Wie wäre es, wenn du für Teammitglieder ausstrahlst, dass sie auf deine wohlwollende Aufmerksamkeit zählen können – eben wie bei einem Berg – und mit dir im Team 100% geben wollen? Kindfully lead others. Erfolgreiche Trainer wie Jürgen Klopp sagen: „Als Trainer musst du deine Jungs lieben“. Als Trainer wissen sie: Nur wer Menschen mit ihren Emotionen wirklich versteht, kann sie führen und zu Teamplayern entwickeln. Das kannst du trainieren.

Ein weiterer Grund für „Kindfully lead others“: Wenn du mit Wohlwollen führst, lässt du dich nicht von negativen Gefühlen davon tragen. Sondern agierst klar und kannst sachlich bei euren Zielen bleiben. Mit empathischer Kommunikation gewinnst du andere leichter dafür mit zu ziehen.

 

Wenn du ein Anliegen hast, das zu der Botschaft „Kindfully lead yourself and others“ passt, freue ich mich über Kontakt.  

  1. Richard Davidson und Daniel Goleman, „Altered Traits. Science reveals how meditation changes your mind, brain and body”, 2018
  2. Projektstudie Aristoteles mit 180 Teams von Google, „What google learned from its quest to build the perfect team”, 2016 (keine veröffentlichte Primärquelle, aber Berichte wie https://teamworks-gmbh.de/teamstudie-googles-projekt-aristoteles/ )
  3. Metaanalyse des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter
  4. Tan, Chade-Meng, Search Inside Yourself, 2012
  5. Breins und S. Chen, Self-Compassion increases self-improvmenet motivation”, Personality and Social Psychology Bulletin 2012
  6. Kristin Neff, Y. Hseish und K. Dejitthirat, „Self-compassion, achievement goals and coping with academic failure”, 2005

Mythos 2: „Wer sich Zeit für Achtsamkeit im Job nimmt, ist egoistisch.“

Achtsamkeit am Arbeitsplatz ist nicht egoistisch

Mythos Nummer 2: „Wer sich Zeit für Achtsamkeit im Job nimmt, ist egoistisch.“

Drei gute Gründe warum die Kritik zum Egoismus in der Achtsamkeit am Arbeitsplätz zu kurz greift.

Die Egoismus-Kritik basiert auf Interpretationen

Letzte Woche haben wir hinter folgenden Mythos geblickt: „Achtsamkeit gefährdet Ziele im Team, weil sie dazu anregt zu prüfen, ob sich die Ziele noch stimmig anfühlen“. Diese Woche geht es darum, ob Achtsamkeit im Job wirklich etwas mit Egoismus zu tun hat.

Solche realen Situationen können dazu beitragen, dass sich der Egoismus-Mythos hält: Eine Person zieht sich mit Spaziergängen, kleinen Übungen oder Zeit im Ruheraum aus dem geschäftigen Tun raus. Im hektischen Alltag vieler Kollegen nimmt sie sich damit etwas Besonderes heraus und erlaubt sich unter anderem vorübergehend nicht ansprechbar zu sein. Soweit die Beobachtung.

Einzelne Kollegen, die sich besonders anstrengen, fühlen sich davon vielleicht im Stich gelassen oder sogar vorgeführt. Sie glauben es gäbe gerade zu viel Arbeit um sich das zu erlauben. Wahren Team-Spirit sehen sie in ihrem Fleiß . Wenn die andere Person in der Situation so handelt, dann ist das Egoismus.

Die Situation zeigt wie wichtig es ist Beobachtung und Interpretation zu trennen. Anhand der Situation mag ich aufzeigen welche guten Gründe dafür sprechen sich auch einmal mit Achtsamkeitsübungen rauszuziehen.

Es ist nicht egoistisch für Konzentration und Fokus zu sorgen

Ausreichend Ratgeber zu Zeit- und Stressmanagement haben gezeigt, dass unsere Aufmerksamkeit Mangelware ist. Auch intelligente Menschen können sich nur eine begrenzte Zeit voll konzentrieren – je nach Testperson zehn bis 45 Minuten. Schon deshalb ist es Unsinn, einen vollen acht Stunden Schreibtisch- oder Meeting-Tag zu planen – der Anspruch an sich selbst oder die Kollegen macht nicht produktiver. Und nach vier Stunden reden wir längst nicht mehr von voller Konzentration. Sämtliche kognitive Fähigkeiten nehmen steil ab. Auch, wenn wir es nicht wahrhaben wollen und uns selbst und Kollegen weiter antreiben.

Einen frischen und entspannt Geist bekommt man mit verschiedenen Pausen zurück – mit Kickern, einer Tasse Kaffee mit Kollegen oder eben mit Mindfulness-Übungen. Für die letztgenannte Option ist tatsächlich erforscht, dass sie die Konzentrationsfähigkeit steigert.

Wer an Mindfulness-Übungen zweifelt, weil er bislang keine passende Übung gefunden hat, kann den Reboot mit Mindfulness einmal ausprobieren (hier als Dokument). Mehr praktische Hinweise zum Meditieren am Arbeitsplatz, gibt’s übrigens im 7mind-Magazin. Und psst: Wenige Minuten reichen schon.*  

Es ist nicht egoistisch Verantwortung für sich zu übernehmen

Achtsamkeit-kein-Egoismus

Seit Jahrhunderten wird der Kaiser Mark Aurel zitiert und bestätigt: „Diejenigen, die nicht mit Aufmerksamkeit den Bewegungen ihrer eigenen Seele folgen, geraten notwendig ins Unglück.“
Die Bedeutung von Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist einfach zu sehen: Wer hat etwas von unglücklichen Facharbeitern, von denen innovative Lösungen erwartet werden?
Was haben Mitarbeiter von unglücklichen Führungskräften, die präsent für ihre Mitarbeiter sein sollen und bereits an sich selbst scheitern?

 

Jede Achtsamkeitsübung ist ein Akt der Selbstführung und der Selbstfürsorge. Sie helfen die eigenen Bedürfnisse und Emotionen besser zu erkennen. Wer innerhält und für sich selbst sorgt, muss deswegen weniger darauf warten, dass andere helfen. Als zufriedener Mensch kann er freier und kreativer seiner Berufung nachgehen. Das ist kein Egoismus.

Es ist nicht egoistisch die Grundlage für soziales Verhalten zu schaffen

Achtsamkeit kann uns nicht nur in unserer Eigenverantwortung und Konzentrationsfähigkeit unterstützten. Achtsamkeitsübungen können auch soziales Verhalten stärken. Das geschieht subtil. Denn bereits wenn wir üben uns selbst zu spüren, trainieren wir auch die Hirnareale, die uns helfen andere wahrzunehmen. Das sind die sogenannten Spiegelneuronen.
Ein Beispiel: Teammitglieder können mit der Übung „Selbstmitgefühlspause“ herausfinden was sie gerade stresst und was sie gerade brauchen. Mit jedem Mal wächst das Bewusstsein, dass Stress eine oft unangenehme, aber bewältigbare Erfahrung ist. Und dass Stress auch zum Leben der Kollegen gehört.

 

Mit regelmäßiger Übung gewinnen Teammitglieder die Kraft sich mehr zu öffnen und den anderen mit seinen Wünschen und seinen Schmerzen wirklich zu sehen und zu akzeptieren – auch wenn sie von den eigenen abweichen. Damit schaffen sie die Grundlage für soziales Handeln im Team und beugen Egoismus vor.

 

 

*Das Hirn verdrahtet sich permanent neu. Auch bei Erwachsenen. Das ist die gehypte Neuroplastizität. Sie funktioniert nicht nur durch die Dauer von Übungen, sondern auch durch Regelmäßigkeit. Jedes Mal wenn wir aus Stress-Mustern ausbrechen und unsere Reaktionen bewusst wählen, entstehen neben der neuronalen Autobahn des Stresses neue und größere Ausfahrten in einen Modus des Bewusstseins.

Mythen zu Achtsamkeit in Teams

Mythen-Achtsames-Arbeiten-im-Team

Warum kann achtsames Arbeiten besonders in diesen Monaten bei der Teamentwicklung helfen? Weil es remote erschwert ist gemeinsamen Fokus herzustellen und zu halten. Und weil Teams, die keinen souveränen Umgang mit Emotionen pflegen remote schnell zerfasern.

So gibt es vermehrt Vorwürfe, Verletzt-Sein, Verwirrung, Unsicherheit oder

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