Selbstmitgefühl motiviert
Selbstmitfühlende Menschen stecken sich genauso hohe Ziele wie andere, aber akzeptieren, dass sie wie andere nicht immer ihre Ziele wie gewünscht erreichen. Und davon lassen sie sich weniger demotivieren, verängstigen oder beschämen. Mitgefühl mit uns selbst verstärkt die innere Motivation als langfristigere Quelle von Motivation.
Motivation die Dinge besser zu machen
Es ist eine fragwürdige Überzeugung, dass Selbstmitgefühl unsere Motivation schwächt, die Dinge besser zu machen. Fragwürdig denn sie gibt der Angst nicht zu genügen Raum und nimmt der Resilienz Raum. Dabei ist Selbstmitgefühl weit davon entfernt, die persönliche Selbstverantwortung zu untergraben. Wie in diesem Artikel ausgeführt, rühren viele Bedenken zu Selbstmitgefühl aus einem fehlenden Verständnis was Selbstmitgefühl wirklich ist. Unter anderem ist es eine verlässliche und nachhaltige Quelle für Motivation. Dafür habe ich eine persönlich Geschichte und eine anschauliche Studie.
Selbstmitgefühl motiviert nach Misserfolgen
In einer Studie von Breins und Chen (2012) mit Studenten wurde untersucht wie Selbstmitgefühl nach einem Misserfolg auf die zukünftige Lernmotivation wirkt. Alle Studierenden mussten an einem besonders schwierigen Vokabeltest teilnehmen, bei dem alle schlecht abschnitten. Die Organisatoren der Studien regten zu drei unterschiedlichen Umgangsweisen an:
Ein Teil der Studenten wurde eingeladen mit sich selbst mitfühlend umzugehen.
Ein anderer Teil erhielt Rückmeldungen, die das Selbstwertgefühl steigern sollten – also das Gefühl besser als der Durchschnitt zu sein. Zum Beispiel wurde ihnen gesagt „Du musst ja intelligent sein, wenn du es auf diese Universität geschafft hast“.
Die dritte Gruppe erhielt keine Rückmeldung oder Ermutigung
Als Nächstes bekamen die Studenten eine neue Liste mit Wörtern und Definitionen, die sie für einen weiteren Test lernen konnten. Bei der Gruppe 1 mit der Selbstmitgefühls-Intervention zeigte sich, dass die Zeit bevor sie den neuen Test ablegten am längsten und die Resultate im neuen Test am besten waren. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ein freundlicher Umgang mit uns selbst, wenn wir scheitern, uns die Unterstützung gibt, die wir brauchen, um unser Bestes zu geben und auch dann nicht aufzugeben, wenn wir entmutigt sind.
Selbstmitgefühl hilft weise Ziele zu wählen und sich zu verändern
Anhand einer persönlichen Situation möchte ich beschreiben, dass Selbstmitgefühl keineswegs die Motivation sich zu ändern senkt!
In meinem allerersten Jahr als Trainer im Agile Coaching habe ich ein Modul eines größeren Ausbildungsprogramms übernommen und musste es neu ausrichten. Beim ersten Durchlauf hatten die Lehrgangsteilnehmer sehr unterschiedliches Vorwissen und Erwartungen – was ich vorher nicht wusste. Ich tat mein Bestes, doch am Ende waren manche nicht so zufrieden wie üblich und hätten sich gewünscht, dass meine Trainerkollegin und ich mehr auf sie ihre Bedürfnisse eingegangen wären.
Dieses Feedback in Kombination mit einem zu der Zeit besonders leistungsorientierten Umfeld hat meine inneren Kritiker wach gerufen: „Bereite für das nächste Mal lieber dieses und jenes noch vor, damit du auf alle eingehen kannst und vor allem den Fortgeschrittenen genügend Stoff lieferst.“ Selbstkritik fördert Angst. Und so hatte ich beim nächsten Durchlauf, den ich alleine machte, trotz sehr guter Vorbereitung Angst es nicht gut genug zu machen. Es ging so viel meiner Energie darauf die souveräne Fassade aufrechtzuerhalten, dass ich keinen Zugriff auf meine Intuition mehr hatte und den Aufbau einer lebendigen Beziehung zu den Teilnehmern vernachlässigte. Die Zufriedenheit der Teilnehmer in diesem Durchlauf war nicht wirklich besser – meine Batterien hingegen leer und mein Wohlbefinden schlechter. Die inneren Kritiker hatten neues Futter, hielten Angst aufrecht und senkten meinen Mut zu grundsätzlicher Veränderung.
Glücklicherweise habe ich wenig später eine Coaching-Ausbildung begonnen und konnte dort meine Herausforderung einbringen. Weil auch damals schon Augenhöhe, Mut und Neugier zu meinen Werten zählten, wollte ich diese nicht auch in der Durchführung von Trainings leben. Durch das mitfühlende Coaching konnte ich mir eingestehen, dass ich noch lernen kann wie ich ohne viel Vorbereitung auf die verschiedenen Faktoren eines gelungenen Trainings achten kann. Und ich konnte klar erkennen welche Auswirkung meine innere Verfasstheit auf das Gelingen aller Interventionen als Trainer hat – mit der Angst nicht zu genügen waren Teilnehmer Gegner, mit innerer Ruhe und Wohlwollen sind sie Freunde.
Im Gegensatz zum isolierten Selbstkritiker hat das mitfühlende Coaching meine Motivation und Kraft für eine Veränderung befeuert. Das dabei entstandene Mitgefühl mit mir selbst hat mir seitdem in solchen Situation geholfen. Und es half auch zu erkennen, dass ich überhaupt nicht der einzige bin, der in seinem ersten Jahr in dieser Rolle noch dazulernen kann und dass es okay und normal ist durchwachsenes Feedback zu erhalten. Diese einfache Einsicht konnte mir meiner innerer Kritiker unter dem Druck des Umfelds nicht zugestehen.
Um meine Leidenschaft lockerer ausüben zu können, habe ich mich um passende Weiterbildungen gekümmert. Heute passiert es mir auch ab und zu einmal, dass mein innerer Kritiker schnell bemerkt, dass etwas nicht gut läuft. Doch ich bemerke auch meinen inneren Kritiker schneller, nehme seine Sorgen gelassen entgegen, atme einmal tief durch und schenke mir ein freundliches inneres Lächeln. Dann schau ich aus dem Wohlwollen heraus was wichtig ist, nicht aus der Angst. Und das bringt meistens den positiven Wandel, den es braucht.