Mythos 2: „Wer sich Zeit für Achtsamkeit im Job nimmt, ist egoistisch.“

Achtsamkeit am Arbeitsplatz ist nicht egoistisch

Mythos Nummer 2: „Wer sich Zeit für Achtsamkeit im Job nimmt, ist egoistisch.“

Drei gute Gründe warum die Kritik zum Egoismus in der Achtsamkeit am Arbeitsplätz zu kurz greift.

Die Egoismus-Kritik basiert auf Interpretationen

Letzte Woche haben wir hinter folgenden Mythos geblickt: „Achtsamkeit gefährdet Ziele im Team, weil sie dazu anregt zu prüfen, ob sich die Ziele noch stimmig anfühlen“. Diese Woche geht es darum, ob Achtsamkeit im Job wirklich etwas mit Egoismus zu tun hat.

Solche realen Situationen können dazu beitragen, dass sich der Egoismus-Mythos hält: Eine Person zieht sich mit Spaziergängen, kleinen Übungen oder Zeit im Ruheraum aus dem geschäftigen Tun raus. Im hektischen Alltag vieler Kollegen nimmt sie sich damit etwas Besonderes heraus und erlaubt sich unter anderem vorübergehend nicht ansprechbar zu sein. Soweit die Beobachtung.

Einzelne Kollegen, die sich besonders anstrengen, fühlen sich davon vielleicht im Stich gelassen oder sogar vorgeführt. Sie glauben es gäbe gerade zu viel Arbeit um sich das zu erlauben. Wahren Team-Spirit sehen sie in ihrem Fleiß . Wenn die andere Person in der Situation so handelt, dann ist das Egoismus.

Die Situation zeigt wie wichtig es ist Beobachtung und Interpretation zu trennen. Anhand der Situation mag ich aufzeigen welche guten Gründe dafür sprechen sich auch einmal mit Achtsamkeitsübungen rauszuziehen.

Es ist nicht egoistisch für Konzentration und Fokus zu sorgen

Ausreichend Ratgeber zu Zeit- und Stressmanagement haben gezeigt, dass unsere Aufmerksamkeit Mangelware ist. Auch intelligente Menschen können sich nur eine begrenzte Zeit voll konzentrieren – je nach Testperson zehn bis 45 Minuten. Schon deshalb ist es Unsinn, einen vollen acht Stunden Schreibtisch- oder Meeting-Tag zu planen – der Anspruch an sich selbst oder die Kollegen macht nicht produktiver. Und nach vier Stunden reden wir längst nicht mehr von voller Konzentration. Sämtliche kognitive Fähigkeiten nehmen steil ab. Auch, wenn wir es nicht wahrhaben wollen und uns selbst und Kollegen weiter antreiben.

Einen frischen und entspannt Geist bekommt man mit verschiedenen Pausen zurück – mit Kickern, einer Tasse Kaffee mit Kollegen oder eben mit Mindfulness-Übungen. Für die letztgenannte Option ist tatsächlich erforscht, dass sie die Konzentrationsfähigkeit steigert.

Wer an Mindfulness-Übungen zweifelt, weil er bislang keine passende Übung gefunden hat, kann den Reboot mit Mindfulness einmal ausprobieren (hier als Dokument). Mehr praktische Hinweise zum Meditieren am Arbeitsplatz, gibt’s übrigens im 7mind-Magazin. Und psst: Wenige Minuten reichen schon.*  

Es ist nicht egoistisch Verantwortung für sich zu übernehmen

Achtsamkeit-kein-Egoismus

Seit Jahrhunderten wird der Kaiser Mark Aurel zitiert und bestätigt: „Diejenigen, die nicht mit Aufmerksamkeit den Bewegungen ihrer eigenen Seele folgen, geraten notwendig ins Unglück.“
Die Bedeutung von Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist einfach zu sehen: Wer hat etwas von unglücklichen Facharbeitern, von denen innovative Lösungen erwartet werden?
Was haben Mitarbeiter von unglücklichen Führungskräften, die präsent für ihre Mitarbeiter sein sollen und bereits an sich selbst scheitern?

 

Jede Achtsamkeitsübung ist ein Akt der Selbstführung und der Selbstfürsorge. Sie helfen die eigenen Bedürfnisse und Emotionen besser zu erkennen. Wer innerhält und für sich selbst sorgt, muss deswegen weniger darauf warten, dass andere helfen. Als zufriedener Mensch kann er freier und kreativer seiner Berufung nachgehen. Das ist kein Egoismus.

Es ist nicht egoistisch die Grundlage für soziales Verhalten zu schaffen

Achtsamkeit kann uns nicht nur in unserer Eigenverantwortung und Konzentrationsfähigkeit unterstützten. Achtsamkeitsübungen können auch soziales Verhalten stärken. Das geschieht subtil. Denn bereits wenn wir üben uns selbst zu spüren, trainieren wir auch die Hirnareale, die uns helfen andere wahrzunehmen. Das sind die sogenannten Spiegelneuronen.
Ein Beispiel: Teammitglieder können mit der Übung „Selbstmitgefühlspause“ herausfinden was sie gerade stresst und was sie gerade brauchen. Mit jedem Mal wächst das Bewusstsein, dass Stress eine oft unangenehme, aber bewältigbare Erfahrung ist. Und dass Stress auch zum Leben der Kollegen gehört.

 

Mit regelmäßiger Übung gewinnen Teammitglieder die Kraft sich mehr zu öffnen und den anderen mit seinen Wünschen und seinen Schmerzen wirklich zu sehen und zu akzeptieren – auch wenn sie von den eigenen abweichen. Damit schaffen sie die Grundlage für soziales Handeln im Team und beugen Egoismus vor.

 

 

*Das Hirn verdrahtet sich permanent neu. Auch bei Erwachsenen. Das ist die gehypte Neuroplastizität. Sie funktioniert nicht nur durch die Dauer von Übungen, sondern auch durch Regelmäßigkeit. Jedes Mal wenn wir aus Stress-Mustern ausbrechen und unsere Reaktionen bewusst wählen, entstehen neben der neuronalen Autobahn des Stresses neue und größere Ausfahrten in einen Modus des Bewusstseins.